Der Kommentar: Vertrauen wiederherstellen!
„Ist am Josephstag es klar, folgt ein fruchtbar’ Jahr!“ – heute am 19. März, steht er auf dem Kalender, der zweite Schutzpatron des Erzbistums Köln, seit genau 150 Jahren als Hochfest gefeiert. Dieser Zimmermann, Baumeister, Arbeiter, Praktiker, dem im Schlaf die besten Einfälle kamen. Der einfach glaubte, der vertraute, als es um die Rettung von Mutter und Kind ging, der einfach machte.
Gestern, am 18. März, kam in Köln ein juristisches Missbrauchsgutachten kam auf den Tisch, lang erwartet, fast 900 Seiten mit Zahlen, Daten, Fakten - und Namen für den Zeitraum zwischen 1975 und 2018. Öffentlich in den wesentlichen Daten vorgestellt, dann in Gänze erst den Betroffenen von sexuellem Missbrauch, schließlich für alle, zum Download komplett auf die Internet-Seiten des Erzbistums. Die Recherchen der Anwälte zählten 202 Beschuldigte, 314 Betroffene von Übergriffen und Grenzverletzungen sowie 75 deutliche Pflichtverletzungen von acht verantwortlichen Amtsträgern, lebenden und inzwischen verstorbenen - neues Salz in die Wunden der Opfer, die auf die Gerechtigkeit warten, die kaum je wirklich zu leisten ist. Und doch heilsam zugleich.
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki, in den letzten Monaten in vielfacher Weise gescholten, zog sofort und überraschend personelle Konsequenzen, entband zwei Verantwortliche in seinem Zuständigkeitsbereich von ihren Aufgaben. Und erstmals bat mit einem ehemaligen Generalvikar auch ein heute amtierender Erzbischof den Papst um sofortige Entbindung von seinen Aufgaben. Das hat es noch nie gegeben. Doch so klar die Fakten, so eindeutig die Hinweise der Anwälte: Es ist und bleibt eine erschreckende, tief abgründige Bilanz. Nach der Bewertung aus juristischer Sicht müsse nun eine zügige Aufarbeitung in jeder Hinsicht folgen, so erste Kommentare. Und das ist vollständig richtig. „Die Nebel lichten sich“, „Befreiungsschlag“, ein „Anfang“, ein „Aufbruch“, hieß es auch.
Spätestens da werden manche immerhin kurz mal durchgeatmet haben, nicht zuletzt in der Kirche selbst. Was man nur noch selten mitbekommt: Die besteht auch aus vielen durchaus ausgeschlafenen Menschen, die nicht die Kirchenaustrittsstellen stürmen oder offen auf den Barrikaden stehen. Obwohl sie den massiv selbst Kaffee aufhaben, obwohl sie sauer sind, weil ihr Vertrauen zutiefst erschüttert wurde, weil sie sich ständig mit kritischen Anfragen auseinandersetzen müssen, sich mit in Haftung genommen sehen für etwas, was einfach nicht sein darf. Nicht dort und nicht irgendwo anders.
Nun - Konsequenzen sind angekündigt. Nächste Woche Dienstag und wieder öffentlich. Um Verantwortung zu benennen, um hoffentlich wieder gut zu machen, konsequent und dauerhaft alle nötigen Schritte zu unternehmen, damit die Kirche ein sicherer Ort ist. Um Vertrauen wieder herzustellen – zumindest dafür zu werben, auch wenn es schwer und bei vielen inzwischen schier unmöglich ist. Denn ohne Vertrauen geht auch kein Glaube - wem ich nicht vertraue, dem glaube ich auch nicht – so viel zum sogenannten „Kerngeschäft“ von Kirche. Also: Einfach machen, kann man nur sagen. Einfach seine Arbeit machen, gut, verlässlich, praktisch, menschendienlich, damit auch über dem Fundament die Statik wieder stimmt. „Steh auf und mach“ – wie Josef. Papst Franziskus hat dem Patron der ganzen Kirche übrigens das ganze Jahr gewidmet - sicher nicht umsonst.
Christof Beckmann
Mehr im Internet: Gutachten der Kanzlei Gercke & Wollschläger; Erzbistum Köln: https://www.erzbistum-koeln.de/
LINKS: Zur Themenseite Missbrauch auf www.Katholisch.de. Weitere Informationen der Deutschen Bischofskonferenz für Betroffene von sexuellem Missbrauch und ihre Angehörige, Leitportal Prävention in der Katholischen Kirche in Deutschland
Beitrag: 19.03.2021 - Klar und wahr: Verantwortung übernehmen